Es ist schon ulkig, mit welcher Gabe Politiker so manche unabhängig von ihren Leistungen existierende Tatsache zum Protzen und Prahlen benutzen: „Deutschland ist eine führende Fahrradnation“ liest man auf der Website des Bundesverkehrsministeriums. Die Begründung: „Über 80 Prozent der Deutschen nutzen das Fahrrad, 55 Prozent halten es für ein unverzichtbares Verkehrsmittel.“
Das ist wohl richtig, aber reicht das alleine wirklich schon aus, um Deutschland als eine führende Fahrradnation zu bezeichnen? Nicht erwähnt bei dieser Glorifikation des eigenen Landes ist indes nämlich, dass die meisten Fahrradfahrer, vor allem in den Großstädten, äußerst unzufrieden mit der Fahrradinfrastruktur sind.
München ist ein gutes Beispiel: Wer hier durch die Stadt radelt, teilt sich auf weiten Strecken die viel zu schmalen Radwege mit rollkofferziehenden Touristen, mit plötzlich aufspringenden Autotüren oder mit Hundeleinen, die einmal quer über den Radweg gespannt sind, weil deren Träger auf der Suche nach ein Stück Grünstreifen sind. Auch ein alt bekanntes Phänomen der Stadt: Plötzlich endende Fahrradwege, bei denen man sich ganz unverhofft von einer Sekunde auf die andere zwischen den heransausenden Autos einreihen muss. Sicherheit: zero points!
Sicherlich muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass in München dank der Initiative des Radentscheids das Thema Radverkehr seit 2019 fest im Stadtrat implementiert ist. Und hier und da sieht man in der Tat schon erste Erfolge des Volksbegehrens – wie zum Beispiel an den einkassierten Parkreihen zugunsten breiterer Radwege. Ein echter Zugewinn!
Und der Trend zum Fahrrad hat sogar die Bundesebene erreicht. So darf man gespannt sein, was die jüngsten Pläne von Verkehrsminister Scheuer für die „Fahrradnation Deutschland“ bedeuten. Mit seinem „Nationalen Radverkehrsplan 3.0“ will er in den nächsten Jahren das dichteste und sicherste Radverkehrsnetz schaffen, das Deutschland je hatte. In dem dafür produzierten Werbefilm kündigt das Ministerium für die Umsetzung eine Vielzahl „innovativer Infrastrukturprojekte wie Brücken, Tunnel und Kreuzungslösungen“ an. Na, wenn so viel Innovation mal kein Erfolg verspricht ...
Aber Spaß beiseite, auf dem Papier liest sich das Vorhaben immerhin gut. Doch am Ende zählt wie immer in der Politik: Wo ein Wille ist, sollte auch Geld locker gemacht werden. Und darin sehen die Zweifler bisher das größte Problem, um Scheuers Pläne umzusetzen: zu wenig eingesetzte finanzielle Mitte, um Deutschland zu einer echten Fahrradnation zu machen.
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